Es ist kompliziert … Digitale Medien und Lernmaterialien sind ein “zweischneidiges Schwert”: Werden sie von Kindern zu früh und zu häufig genutzt, schadet das ihrer Entwicklung und Gesundheit. Doch Jugendliche, welche bald ins Berufsleben eintreten, müssen auf ihre digitale Lebens- und Arbeitswelt vorbereitet sein. Für Andere ist digitale Bildung sogar der einzige Weg, um überhaupt an Lernangeboten teilhaben zu können, wie im Weltbildungsbericht GEMR 2023 steht.

(Kommentar von Susanne Braun-Speck, u.a. Herausgeberin des Community-Buches “Nachhaltige Bildung. Nachhaltige Schule“).

“Generell gibt es einen großen Unterschied zwischen Konsumieren und Produzieren von digitalen Medien und Lernmaterialien. Zum Anderen kritisiere ich schon seit Jahren, dass beispielsweise oft die 5. Klassen als Erstes mit digitaler Bildung starten sollen, während noch unzählige Schulabgänger ohne zeitgemäße IT- und Medienkompetenz ins Berufsleben starten müssen.”

Medien konsumieren bedeutet, sie zu nutzen, oft nur anzusehen, ohne selbst aktiv zu sein. Bei Lernapps bedeutet dies, z.B. nur Antworten auswählen oder beispielsweise ein Video abspielen zu können. Medien und Lernmaterialien produzieren bedeutet dagegen, sie herzustellen, sie aktiv zu gestalten und dabei kreativ zu sein.

Ähnlich wie beim Fußballspielen macht es einen großen Unterschied, ob Menschen im Fernsehen nur Spiele anschauen oder selbst trainieren. Während Medienkonsum etwas Inaktives ist, ist Medienproduktion etwas Selbstaktives und fördert Zukunftskompetenzen wie Kreativität, kritisches Denken etc.

HEISE titelte am 27.11.23: “Wissenschaftler: Tablets und Laptops machen die Kinder dümmer”

Hintergrund: Über 40 Experten aus Bildung und Wissenschaft fordern einem Aufschub der Digitalisierung an Schulen und Kitas. „Es ist offensichtlich, dass Bildschirme große Nachteile für kleine Kinder haben. Sie behindern das Lernen und die Sprachentwicklung. Zu viel Bildschirmzeit kann zu Konzentrations-Schwierigkeiten führen und die körperliche Aktivität verdrängen“ heißt es in einem Zitat vom Karolinska-Institut.

“Die wissenschaftliche Erkenntnis ist inzwischen, dass Unterricht mit Tablets und Laptops die Kinder bis zur 6. Klasse nicht schlauer, sondern dümmer macht”, begründet der Offenburger Medienpädagoge Ralf Lankau die Initiative. Auch Schulpädagoge Klaus Zierer (welcher mit John Hattie u.a. das Buch “Visible Learning” herausgebracht hat), sowie der bekannte Mediziner Manfred Spitzer sowie Thomas Fuchs zählen zu den ersten Unterzeichnern der Forderung.

Nun: Hier ist explizit die Rede von kleinen Kindern bis zur 6. Klasse.

“Ja, es ist grenzwertig, wenn kleine Kinder bereits an Smartphone und Tablet ihre Freizeit verbringen! Und sie bereits in der Grundschulzeit über APPs digital lernen zu lassen, halte ich seit jeher für grenzwertig und überhaupt nicht für zielführend. Häufig wurde ich schon gefragt, wie ausgerechnet ich das sagen kann, da ich doch Referentin für digitale Bildung sei. Nun: die Antwort ist ganz einfach:

“Bei unseren digitalen Lernprojekten sind die Schüler:innen deutlich älter (ab 8. Klasse) und vor allem selbst-aktiv. Sie sind die kreativen Produzenten von Online-Medien und lernen zudem, wie digitale Projektarbeit funktioniert! Das ist etwas ganz anderes, als Medien lediglich zu konsumieren.”

Außerdem erwerben sie dabei eine ganze Reihe an Kompetenzen und Fähigkeiten, welche sie in ihrem digitalen Arbeits- und Privatleben benötigen. Auch in Bezug auf KI ist das Medien-selbstmachen DIE Antwort, wie ich am Wochenende auf LinkedIn schrieb. Auszug:

Auf jeden Fall brauchen wir deshalb insbesondere 21st Century Skills wie Medienkompetenz, kritisches Denken und Analysefähigkeiten. In Schulen kann und muss sich damit alles umkehren. Schüler:innen müssen Texte durch KI nicht mehr zwangsweise schreiben, aber sie analysieren, kritisch hinterfragen, prüfen und nach-recherchieren. Das ist so gesehen forschende und journalistische Arbeit, die mega effektiv ist; also selbst-aktives, entdeckendes Lernen auf digitale Art und der Lerneffekt ist enorm! Man könnte auch sagen, es ist Detektivarbeit – damit spannend! Genau so etwas, und noch viel mehr, lernen Schüler:innen in meinen digitalen Lernprojekten von Media4Schools by Sii-Kids”

Die BNE-digital.de ist so ein digitales Lernprojekt – für Jugendliche ab Klasse 8

“Selbst meine eigene Tochter sagte als 18-jährige mal, sie wäre froh, dass sie noch ein richtiges Draußenkind gewesen wäre. Wir waren jeden Tag, außer bei Sturm, stundenlang im Freien und Unterwegs. Sie war stets gesund und fit. Und wenn ich eins ganz sicher weiß: Es war ein Fehler ihr schon zum 12. Geburtstag ein Handy zu schenken – ich weiß, das ist heutzutage spät – leider.” Es scheint widersprüchlich zu klingen, dass ich dennoch dafür war, dass meine Tochter in das Oberstufenprofil “IT und Medien” geht.

Aber das ist es nicht. “Ein Kind sollte ein Kind bleiben und alles andere tun, als Medien konsumieren. Ich hatte früher schon ein schlechtes Gewissen, wenn ich sie 20 Minuten habe TV sehen lassen, wenn ich abends in Ruhe duschen wollte. Aber dennoch ist unsere Welt zunehmend digital und ich halte es für elementar wichtig, dass größere Kinder und Jugendliche lernen, damit umzugehen. Nicht das Digitale, nicht KI, soll uns lenken können. Wir sollten die Fähigkeiten besitzen, Digitales inklusive KI gezielt zu nutzen! In meinen Workshops geht es entsprechend immer um Grundlagen, um digitale Projektarbeit und um das kreative Gestalten von Online-Medien in Textform, Audio, Video, Lernspielen.”

Digitale Medien sind in Bezug auf Bildung für Millionen von Menschen eine Rettungsleine.

In der deutschen Kurzfassung des “Global Education Monitoring Reports (GEMR)”, also des Weltbildungsberichts, welcher von der UNESCO unterstützt und gefördert wird, stehen insbesondere auch Vorteile von Digitaler Bildung, aber auch soziale Ungerechtigkeiten, beispielsweise (gekürzt, Seite 1):

  • Barrierefreie Technologie und universelles Design haben für Lernende mit Behinderungen neue Möglichkeiten eröffnet.
  • Radio, Fernsehen und Mobiltelefone ersetzen bei schwer erreichbaren Bevölkerungsgruppen die traditionellen Bildungsangebote.
  • Während der COVID-19-Schulschließungen hat Online-Lernen den Zusammenbruch des Bildungswesens verhindert. Der Fernunterricht hatte das Potenzial, über 1 Milliarde Lernende zu erreichen.

Bestimmte Bildungstechnologien können bestimmte Arten des Lernens in bestimmten Kontexten verbessern.

Gekürzt, Seite 1 des Berichts:

  • Bei bestimmten Lernformen konnten kleine bis mittlere positive Effekte der digitalen Medien nachgewiesen werden.
  • Der Schwerpunkt sollte auf den Lernergebnissen und nicht auf dem digitalen Input liegen.
  • Außerdem kann der Medieneinsatz sich nachteilig auswirken, wenn er unangemessen oder übertrieben erfolgt.

In dem Weltbildungsbericht 2023 steht abschließend (Deutsche Zusammenfassung, Seite 34):

“Informations- und Kommunikationstechnologien haben das Potenzial, Chancengerechtigkeit und Inklusion zu fördern, indem sie benachteiligte Lernende unterstützen und mehr Wissen in aktivierenden und kostengünstigen Formaten verbreiten. In bestimmten Kontexten und bei bestimmten Lernformen können sie die Qualität des Lehrens und Lernens im Hinblick auf Grundfertigkeiten verbessern. In jedem Fall gehören nun auch digitale Kompetenzen zu diesen Grundfertigkeiten.”

In unserem Community-Buch “Nachhaltige Bildung. Nachhaltige Schule” (Seite 84, 2022) hatte ich schon geschrieben:

“Zu den eigentlichen drei Kompetenzen, welche laut SDG 4 alle Menschen weltweit beherrschen sollen: Lesen, Schreiben, Rechnen, gehört meines Erachtens jetzt „Digitalität verstehen und anwenden“ dazu!“ – ab der 8. Klasse.


Quellen:

Bei der Höhle der Löwen, einer TV-Show von VOX, wurde das Spiel “Zeedz” vorgestellt und von allen Investoren unterstützt. Die Spiele-App soll Wissen über Klimawandel (ein Nachhaltigkeitsthema) vermitteln und vereint neuartige NFT’s und klassisches Gaming. Doch was genau steckt dahinter? Funktioniert das Konzept?

Im VOX-Format „Die Höhle der Löwen“ bekommen Menschen mit Erfindungen oder Geschäftsideen die Chance ihres Lebens. Sie präsentieren ihre Idee fünf erfolgreichen Unternehmern, den sogenannten „Löwen“. Gelingt es den Gründerinnen und Gründern, einen oder mehrere „Löwen“ von ihrer Geschäftsidee zu überzeugen, bekommen sie von ihnen das nötige Startkapital oder Unterstützung bei der Expansion ihres Unternehmens (Quelle: vox.de). Fakt ist u.a.: die Löwen investieren nur, wenn sie hohe Gewinne erwarten.

Am 16.10.2023 wurde dort auch das Spiel Zeeds (Link zur Website) vorgestellt – siehe Video.

Zeedz hat das Hauptziel, Fantasie-Lebewesen (Zeedles) wachsen und gedeihen zu lassen.

Dies wird durch zwei Hauptkomponenten erreicht. Erstens erfordert die Pflege der Zeedles regelmäßiges “Knuddeln”, was bedeutet, dass die Spieler die Pflanzen auf dem Bildschirm durch Antippen mit dem Finger versorgen müssen. Zweitens reagieren die Zeedles auf die Wetterbedingungen des Ortes, an dem der Spieler sie auf der Zeedz-Karte gepflanzt hat.

Die Karte ist der realen Weltkarte nachempfunden, sodass die Spieler ihre Zeedles in Städten wie New York, Sydney oder Dubai pflanzen können. Die virtuelle Pflanze wächst dann unter den realen Wetterbedingungen des jeweiligen Standorts. Vorausgesetzt, der Zeedle fühlt sich in der entsprechenden Klimazone wohl und wird angemessen gepflegt. Das Spiel ermutigt die Spieler, die integrierten Lernmöglichkeiten zu nutzen, um mehr über die optimalen Klimazonen für ihre Zeedles zu erfahren.

Neben dem Züchten und Pflegen der Zeedles gibt es auch eine Battlefunktion. Spieler können ihre Zeedles in den Kampf gegen “Lord CO den 2ten” von den Einweg-Inseln führen. Dieser Bösewicht und seine Monster-Armee greifen an, wenn in der realen Welt Extremwetterereignisse wie Wirbelstürme oder Hitzewellen auftreten.


10% der NFT Pack-Umsätze fließen in gemeinnützige Projekte

Die Zeedles sind digitale Wesen und es gibt zwei Arten von Packs, in denen sie enthalten sind. Nicht-NFT-Packs enthalten Zeedles in den Evo-Stufen 1-4, die direkt im Spiel verwendet werden können, aber nicht verkauft oder gehandelt werden können. Und es gibt NFTs (Non-Fungible Tokens, digitale Vermögenswerte), die auf einer Blockchain existieren – dafür werden übrigens enorm energiefressende Serverstrukturen gebraucht, die für CO2-Emissionen sorgen (siehe Artikel “Wieviel Strom verbraucht das Internet?“). Anmerkung der Redaktion: Die Spiele-App ist also alles andere als nachhaltig!

Auf jeden Fall können diese NFTs von Spielern erworben, getauscht und verkauft werden. Einige Zeedles haben bereits jetzt hohe Preise, wie beispielsweise 1.500 Euro für “Kastanos” erzielt. Spieler werden ermutigt, diese NFTs zu kaufen, da die Einnahmen gemäß der Website für nachhaltige Projekte gespendet werden.

Die Gründer, allen voran Sven Junglas, haben bereits vor der Veröffentlichung des Spiels eine starke Fan-Gemeinde aufgebaut und über 1,5 Millionen Euro eingenommen. Zeedz verpflichtet sich, zehn Prozent des Unternehmensumsatzes und 50 Prozent der Gewinne aus dem In-Game-Marktplatz an umweltfreundliche Non-Profit-Projekte zu spenden. Die Vision ist es, gemeinsam mit Zeedz einen positiven Beitrag zur Verbesserung der Welt zu leisten. Zum Ausprobieren reicht vielleicht ein DHDL SPECIAL PACK (Link) für 7,99 €.


“Ich will, dass in ein paar Jahren jeder auf der Welt so ein kleines Tierchen in seiner Tasche hat”, Junglas bei DHDL

Im ersten Jahr nach der Einführung plant Zeedz, seinen Umsatz zu verdoppeln und dann in den folgenden Jahren zu vervierfachen. Junglas, der bei #DHDL alleine auftrat, hat seine Produktvision nicht auf den deutschen Markt beschränkt, sondern betonte, dass Zeedz Menschen weltweit erreichen kann. Um diese Ziele zu erreichen, sucht das Unternehmen die Unterstützung der Investoren in “Die Höhle der Löwen”. Junglas bietet 10 Prozent seines Unternehmens an und bittet um eine Investition in Höhe von 600.000 Euro.


Das sagen die Löwen

Die fünf prominenten Investoren sind von dem Konzept des “Play for Purpose” und von Sven Junglas begeistert. Nils Glagau äußert, “Da stimmt alles,” Dagmar Wöhrl findet den Pitch “brilliant,” und Carsten Maschmeyer bezeichnet das Konzept als “sagenhaft.” Ralf Dümmel stellt jedoch die Frage, ob ein Unternehmen, das noch nicht einmal ein auf dem Markt erhältliches Spiel anbietet, tatsächlich sechs Millionen Euro wert ist.

Nachdem Dagmar Wöhrl vorschlägt: “Lass uns doch alle gemeinsam einsteigen,” schließen sich die fünf prominenten Investoren zusammen, was bei “Die Höhle der Löwen” bisher nie passiert ist. Die Herausforderung für Junglas ist aber, dass die Bewertung seines Startups erheblich unter den kalkulierten sechs Millionen Euro liegt, wenn er alle fünf Löwen an Bord holt. Denn jeder der Löwen möchte bei einem gemeinsamen Investment von 600.000 Euro fünf Prozent von Zeedz erhalten, was insgesamt 25 Prozent ausmacht. Das bedeutet, anstelle von sechs Millionen Euro würde das Unternehmen nur noch mit 2,4 Millionen Euro bewertet.

Trotz dieser reduzierten Bewertung akzeptiert der Gründer – nach Rücksprache mit seinem Team – das Angebot. Damit wird Zeedz das, in der Serie, erfolgreichste Startup in der Geschichte von “Die Höhle der Löwen.” Der Start des Spiels ist für den 16. Oktober geplant, genau an dem Tag, an dem die Folge in der Sendung ausgestrahlt wird


Kritik gibt es viel

Leute, die das Spiel getestet haben, äußern viel Kritik. Die durchschnittliche Bewertung im Apple-AppStore liegt bei 3,0. Für so ein hoch angepriesenes Game ist das noch keine gute Bewertung. Die meisten Kommentare sind 1* und 5* Bewertungen.

Doch was sind die Hauptkritikpunkte?

  1. Zwanghaft eine E-Mailanmeldung, obwohl das eigentlich nicht nötig sein sollte. Es gibt keine anderen Anmelde-Optionen wie z.B. das Apple Gamecenter, Google oder andere.
  2. Das Spiel ist ungeplant, es gibt kein Tutorial, welches das Spiel gut erklärt. Zu Anfang sind die Nutzer verwirrt.
  3. Unfertiger Inhalt sorgt für Unmut. Das ganze Spiel ist noch unausgereift, viele sagen, es ist viel zu früh, so ein unfertiges Spiel zu veröffentlichen.

Doch Zeedz hört auf die Kritik und bietet Lösungen an.

Zwar ist das Spiel noch nicht 100% ausgeklügelt, aber z.B. ein How-To-Play-Guide ist auf der Website zu finden. Natürlich gibt es auch viele Leute, die sehr begeistert sind!

Meinung der Redaktion:

“Nervig ist, dass es keinerlei Anleitung gibt und es quasi pay-to-win ist. Ohne zu zahlen, kommt man nicht weit … Das Design ist zudem für kleine Kinder gemacht. Verstehen diese schon etwas von Nachhaltigkeit? Die Zielgruppe die investieren könnten, sind aber Erwachsene, die genug Geld über haben. Overall bin ich nicht so begeistert… ich hatte erst gedacht, es ist ein lustiges normales Handyspiel. Vielleicht gefällt es mir mit zukünftigen Änderungen?”


Quellen:

Immer mehr Schulen beschäftigen Quer- und Seiteneinsteiger* als Lehrkräfte – diese stehen dann vor einer ganz besonderen Herausforderung. Wie gut funktioniert dieser Übergang in der Praxis? Zwischen neuen, teils unerwarteten Aufgaben, pubertierenden Schülern und dem oft turbulenten Schulalltag? Fest steht: leicht ist das nicht und die Beurteilungen gehen weit auseinander …

Aufgrund des Lehrkräftemangels unterrichten an den Schulen in Deutschland immer mehr Quer- und Seiteneinsteiger*innen. Das sind Lehrkräfte ohne anerkanntes Lehramtsstudium. Wie das Statistische Bundesamt (DESTATIS) aus Anlass des Weltlehrertages am 5. Oktober mitteilte, traf das im Schuljahr 2021/22 auf rund …

  • 8,6 % der Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen zu: Rund 60 800 der insgesamt 709 000 Lehrkräfte dort hatten keine anerkannte Lehramtsprüfung.
  • 20,8 % der insgesamt 124 000 Lehrkräfte an den beruflichen Schulen hatte 2020/21 keine anerkannte Lehramtsprüfung.

* Seiteneinsteiger*innen haben weder Lehramt studiert noch ein Referendariat abgeschlossen. Quereinsteiger*innen haben nicht auf Lehramt studiert, im Gegensatz zu Seiteneinsteigern besteht bei ihnen aber die Pflicht eines Referendariats. Die spezifischen Bedingungen und Möglichkeiten sind je nach Bundesland verschieden (Dt. Bildungsserver, n.D.)

Nun: Obwohl es “brennt” und das Schulsystem aufgrund des wachsenden Lehrermangels sowie hohen Krankenstands (aktuell: bis zu 40% laut E-Mail eines Schulleiters) sowohl externe Projektanbieter (siehe Artikel zur Experimentierklausel), wie auch Quer- und Seiteneinsteiger dringend zu brauchen scheint, werden diese ständig kritisiert, nicht als vollwertig anerkannt, schlechter bezahlt und nicht auf Dauer eingestellt.

Vor allem ist oft zu hören: Die können es einfach nicht – haben ja nicht auf Lehramt studiert. Insbesondere Seiteneinsteiger (ohne Absolvierung eines Referendariats) in allgemeinbildenden Schulen sollen angeblich den Kindern regelrecht schaden. Wobei aber in Berufsschulen die Quereinsteiger, welche ein Studium sowie Berufserfahrung haben, sehr geschätzt werden. Dort setzen sich Schulleitungen dafür ein, dass ihre Quereinsteiger auf Dauer und nicht mehr befristet beschäftigt werden.

Die Redaktion fragte sich:
Warum werden Menschen aus der Wirtschaft überhaupt Lehrkraft? Was bewegt sie dazu und wie läuft das so? Können sie ihren Beitrag zu hochwertiger Bildung (SDG 4) leisten?

Interview mit Frau Mehlbrand (Name geändert) – vom IT-Profi zur Informatiklehrerin

Warum sind Sie als IT-Profi jetzt Informatiklehrerin geworden?

Der Wechsel in den Lehrerberuf war für mich einerseits Herzensangelegenheit, andererseits hatte ich im Laufe meiner Berufstätigkeit festgestellt, dass mir die Arbeit zu introvertiert war. Ich bin eine recht kommunikative Person … Während meiner Jahre in der IT-Branche hatte ich schon den Wunsch, Wissen weiterzugeben und junge Menschen für die Welt der digitalen Medien und IT zu begeistern.

Deshalb hatte ich angefangen, Azubis und Studenten zu betreuen, war so gesehen Ausbilderin. Generell denke ich: Die Digitalisierung ist ein entscheidender Bestandteil unseres Lebens! Und ich will einen Beitrag dazu leisten, die nächste Generation auf ihre digitale Zukunft vorzubereiten – so früh wie möglich, also noch zu Schulzeiten.

Was sind ihre Erfahrungen als Quereinsteigerin im Lehrberuf?

Der Übergang in den Lehrerberuf war nicht ohne Herausforderungen. Ich hatte keine pädagogische Ausbildung und musste viel über Lehrplangestaltung, Pädagogik, insbesondere auch den Umgang mit diversen Schülern lernen. Das über einen Quereinstieg mit Referendariat – die Bezahlung war verhältnismäßig schlecht in der Zeit. Vorher habe ich natürlich viel mehr verdient! Doch schon während des Referendariats musste ich überwiegend alleine unterrichten. Meine beruflichen Erfahrungen als Ausbilderin in der IT halfen mir, das zu tun!

Gab es Momente, in denen Sie sich überfordert geführt haben?

Oh ja, natürlich. Der Unterricht kann manchmal sehr herausfordernd sein – vor einer Klasse mit pubertierenden Schüler*innen zu stehen, insbesondere! Da gab es Momente, in denen ich mich gefragt habe, ob ich dem gewachsen bin. Warum wurden und werden Quereinsteiger, wie ich, ausgerechnet in der Jahrgangsstufe 7 und 8 eingesetzt? Aber nun gut, mithilfe einiger Kolleginnen und durch Fortbildungen, konnte ich meine pädagogischen Fähigkeiten dahingehend entwickeln. Es war eine steile Lernkurve, aber ich habe es bisher nicht bereut!

Haben Sie noch Tipps an zukünftige, quer einsteigende Lehrer*innen?

Mein Rat wäre, sich die Herausforderungen des Lehrerberufs vorher wirklich klarzumachen und erst einmal ein Praktikum in einer Schule zu absolvieren. Man braucht, neben seinem Fachwissen, für den Job gute Nerven, Gelassenheit, Kommunikationsstärke und Flexibilität – denke ich. Weiterer Tipp wäre für andere Quereinsteiger: Glaubt an Euch! Eure beruflichen Erfahrungen werden eine Bereicherung für die Schüler*innen sein, also seid dahin gehend selbstbewusst. Aber: sucht Euch von Anfang einen oder mehrere Kollegen*innen, die Euch jederzeit pädagogischen Rat geben!


Frischer Wind im Unterricht – pro und contra

Generell ist in vielen Schulen noch nicht realisiert worden, dass multiprofessionelle Teams wirklich eine Bereicherung für Schulen sind, schrieb uns eine Lehrkraft aus SH. Andere meinten: Quereinsteiger haben vielfältige Kenntnisse und praktische Berufserfahrungen, sowie Netzwerk-Kontakte, die für Schüler:innen und Unterricht in jedem Fall wertvoll sein können.

Dank ihrer vorherigen Berufserfahrung können sie Theorie und Praxis verknüpfen, was den Unterricht relevanter und greifbarer machen kann. Zusammengefasst: Quereinsteiger können echt frischen Wind in den Unterricht bringen! Insbesondere Berufs(fach)schulen und Berufsgymnasien sehen das positiv und sind sehr zufrieden mit ihren Quereinsteigern!

“Ich finde, wie eigentlich alle in unserer Klasse, meine Lehrer und Lehrerinnen, die Quereinsteiger sind, echt super! Warum? Weil sie sehr motiviert sind, wirken als hätten sie wirklich Freude dabei, und weil sie den Unterrichtsstoff hautnah erklären, anstatt theoretisch und trocken. Man merkt sofort, wenn jemand echte Praxiserfahrung hat!”

Sophie, Schülerin in der Oberstufe am Berufsgymnasium


Allerdings gibt es auch Schattenseiten! Eine Lehrerin aus Niedersachsen schrieb der Redaktion, dass es  in Sachsen-Anhalt und Niedersachsen zu hohen Abbruchraten und massiven Schwierigkeiten im Kollegium mit Quer- und Seiteneinsteigern kommt.

“Seiteneinsteiger, die kein Referendariat gemacht haben, sollen den Kindern regelrecht geschadet haben. Das führt natürlich generell zu einer schlechteren Qualität der Bildung!”, sagt sie. Ihre Empfehlung: “Wenn, dann darf es meiner Meinung nach nur Quersteiger geben, die pädagogisch ausgebildet werden!”


Video dazu:

Quellen:

 

Ist Gleichheit gerecht? Ist es fair, wenn alle dasselbe erhalten? Oder ist es fair, wenn jeder das Seine bekommt, also das, was er persönlich braucht? Auf den ersten Blick mag es gerecht erscheinen, wenn Menschen überall auf der Welt, in der Schule, im Beruf und im Privatleben gleich behandelt werden und dieselben Möglichkeiten erhalten. Doch Chancengleichheit und Inklusion sind komplexe Themen, die in der Praxis oft scheitern, insbesondere im Bildungssystem.

Doch die Grundschule “Op de Host” aus SH zeigt, wie es geht und hat heute einen der Deutschen Schulpreise der Robert Bosch-Stiftung erhalten.

Ebenso wurde eine Schule aus Hamburg ausgezeichnet, die mit uns, den Betreibern der BNE-digital, eng verbunden ist. Siehe Blogbeitrag dazu auf sii-kids.de


Chancengleichheit und Inklusion sind, wie Digitalisierung, Querschnittsthemen und werden vor allem mit sozialen Nachhaltigkeitszielen in Verbindung gebracht.

Chancengleichheit meint (lt. Oxford-Languages), dass die gleichen Ausbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten für alle, ohne Rücksicht auf Herkunft und soziale Verhältnisse, geschaffen werden sollen. Das bedeutet also auch, dass jeder Mensch alles werden können soll, wenn er nur möchte?

Inklusion meint vom Begriff her (lt. Duden), dass es eine gleichberechtigte soziale Teilhabe für alle Menschen geben soll – egal welchen Geschlechts, Nationalität, körperlicher oder geistiger Verfassung, etc. Im Bereich der Pädagogik ist damit gemeint, dass beeinträchtigte und nicht beeinträchtigte Kinder in Kindergärten und Regelschulen gemeinsam erzogen und gebildet werden soll.

Ebenfalls spielt der Gedanke der Integration bei Chancengleichheit mit hinein und meint, dass Kinder und Jugendliche aus anderen Ländern, welche in einer anderen Kultur und mit einer anderen Sprache aufgewachsen sind, in der Mitte der Gesellschaft aufgenommen werden sollen. Das Ziel von Integration und Inklusion ist also vor allem, niemanden in der Gesellschaft auszugrenzen und alle Menschen in das alltägliche Leben gleichermaßen einzubinden?

Doch das kann in Schulen und Kitas schwerlich funktionieren, denn einerseits fehlt dazu das Personal – insbesondere Erzieher:innen, Lehrkräfte, Sonder- und Sozialpädagogen. Anderseits fehlen Raum, Zeit und Möglichkeiten, um Inklusion im realen Leben umzusetzen, und auch für die “normalen” und höher-begabten Schüler:innen passend zu gestalten, damit sie ihr persönliches Potenzial ausschöpfen und entfalten können. Außerdem fühlen sich die Betroffenen (z.B. DAZ/DAF-Schüler:innen) oft überfordert und sollten auch nicht mithalten müssen, wenn sie gar nicht können.

Kurzum: die Herausforderung, allen Kindern und Jugendlichen unter gleichen Bedingungen die gleichen Chancen zu ermöglichen, scheitert schon im Ansatz und klingt im mancher Hinsicht naiv (Meinung der Autorin, Kommentar). Haben sich hierbei, wie auch in anderen Bereichen, die Entwickler der 17 Nachhaltigkeitsziele verrannt?


Für alle das Gleiche ist nicht gerecht, sondern unfair!

Bild vom Interaction Institute for Social Chance (IISC) | Artist: Angus Maguire. 

Die bildliche Darstellung vom gemeinnützigen „Interaction Institute for Social Chance” (kurz: IISC) aus Boston (USA) zeigt eindrucksvoll, dass für alle das Gleiche eben nicht fair ist und sogar Chancen verbaut!

  • Wie könnte es fair sein und allen Chancen ermöglichen, wenn kleine Personen das gleiche Podest nutzen müssen, wie große Personen? (Bildteil links)
  • Wie könnte es fair sein und allen Chancen ermöglichen, wenn Schüler:innen mit Deutsch als Fremdsprache, also insbesondere zu uns Geflüchtete, im Unterricht sitzen und kein Wort verstehen?
  • Wie könnte es fair sein und allen Chancen ermöglichen, wenn Kinder mit körperlichen Einschränkungen genauso wie alle anderen Schüler:innen beim Sport mitmachen sollen?
  • Wie könnte es fair sein und allen Chancen ermöglichen, wenn hochbegabte und geistig-beeinträchtigte Schüler:innen zusammen unterrichtet werden?
  • Wie könnte es fair sein, wenn eine sehr reiche Familie genauso viele Sozialleistungen vom Staat bekommen würde, wie eine arme Familie?
  • Wie fair wäre es, wenn Vegetarier und Fleischesser (Karnisten) das Gleiche essen müssten?

Jeder braucht das Seine, also Chancen durch individuelle Angebote und Förderung, wie das rechte Bildteil verdeutlicht.


Aber: So schwierig das ist – manchmal funktioniert es eben doch!

Heute, am 12.10.23 wurde die Grundschule Op de Host aus Schleswig-Holstein für ihr besonders erfolgreiches Modell der inklusiven Pädagogik beim Deutschen Schulpreis der Robert Bosch-Stiftung ausgezeichnet.

„Der Inklusions-Gedanke ist in der Schule dabei weit gefasst und gleichzeitig bestechend schlicht: gute Schule für jedes Kind!“, heißt es in der Jury-Bewertung.


Quellen:

  • „Interaction Institute for Social Change | Artist: Angus Maguire.“  > Link
  • deutscher-schulpreis.de